Um 1900: Länder mit höherer protestantischer Bevölkerung (grün eingekreist) sind wohlhabender als katholische Länder (rot eingekreist)!
Um 1870: Mehr Patente (Innovationen) in Gegenden mit gemischt-religiöser Bevölkerung (grün eingekreist).
Tendenziell ist das bis heute so. Länder, in denen Protestantismus sich verbreitete (dunkelgrün), sind im Durchschnitt immer noch wohlhabender als Länder mit katholischem Hintergrund (hellgrün)!
Luther verlangte, dass seine Anhänger selbständig die Bibel studieren und setzte sich für allgemeine Schulbildung ein. Kinder entwickelten analytische und kommunikative Fähigkeiten, die die Industrie braucht.
Folge: höherer Anteil Industriearbeiter und Angestellter in protestantischen Gegenden Preußens
Protestantismus überwand das Monopol der katholischen Kirche. Folge:
Höhere religiöse Toleranz in primär protestantischen Gegenden
Umleitung Finanzmittel von der Kirche an den Staat und an die Industrie - ohne weltanschauliche Präferenz
Konzentration der (jungen) Menschen auf Ausbildung und Berufe im weltlichen Umfeld, z.B. öffentliche Verwaltung
Protestanten greifen Innovationen gezielter auf, um ihre Ideen zu verbreiten, z.B. Buchdruck! Weitere Gründe wie die protestantische Arbeitsethik, „Geist des Kapitalismus“, ... und geeigneten Methoden der Analyse sind noch in der wissenschaftlichen Diskussion.
Die protestantische Bewegung überwand den Dogmatismus der Kirche. Dadurch förderte sie selbstbestimmte Religiosität und aktivierte Mechanismen, die den Fortschritt der Gesellschaft bewirkten:
weltoffene Bildung und rationaler Umgang mit vorgefundenen Lehren
Toleranz gegenüber Andersdenkenden
Aufgreifen von Innovationen
aktive Gestaltung der Lebensumstände
Jüngste Erkenntnisse einer umfangreichen Analyse wissenschaftlicher Veröffentlichungen zur Geschichte der Wirtschaft im Judentum, Christentum und Islam legen nahe: Es gibt einen Zusammenhang zwischen ökonomischem Fortschritt und Religiosität der Menschen - und nicht nicht unbedingt zwischen ökonomischem Fortschritt und Religionszugehörigkeit.
(Quelle)
Debatte zur Zeit Max Webers im Deutschen Reich: protestantische Länder sind wohlhabender und fortschrittlicher als katholische. Webers Erklärung: Jede religöse Weltanschauung ist mit einer spezifischen Ethik und Lebensführung verbunden und begünstigt dadurch bestimmte Wirtschaftsformen
Es gibt eine „protestantische Ethik“, die
Innovation und wirtschaftliches Engagement und damit Wachstum fördert
rationales Vorgehen im wirtschaftlichen Handeln unterstützt
wirtschaftlichen Erfolg als Ausfluss der Gnade Gottes für den Menschen ansieht
Menschen dazu anhält, mehr zu arbeiten und zu sparen
Weber sprach zwar von protestantischer Ethik, blieb dabei aber diffus. Heute können wir seine „protestantische Ethik“ mit Religiosität gleichsetzen, denn Religiosität bestimmt Ethik und Lebensführung der Menschen. Damals war Religiosität nicht so differenziert untersucht wie heute. Daher konnte er nicht zwischen wohlstandsfördender und wohlstandsvermindernder bzw. -vernichtender Religiosität unterscheiden
(Quelle)
1892 zeigt der iranische Religionshistoriker Abu’l-Faḍl Golpaygani: Alle Religionen sorgen für Fortschritt, solange
selbstbestimmte Religiosität und Meinungsbildung überwiegen
die Lehre der Religion und das Verhalten der Gläubigen durch fremdbestimmten Dogmatismus nicht eingeengt sind
Alle Offenbarungsreligionen unterstützen die oben beschriebenen Mechanismen, die die protestantische Bewegung gefördert hat. Diese wirken sich positiv auf den gesellschaftlichen Fortschritt und Wohlstand aus
Offenbarungsreligionen gehen sogar darüber hinaus:
Selbstmotivierte Änderung des Verhaltens der Menschen und Entwicklung von Tugenden, die sich positiv auf die Ökonomie auswirken: Toleranz, Vertrauenswürdigkeit, Opferbereitschaft, Gerechtigkeit, Langmut, Freigiebigkeit
Selbstbestimmte, eigenständige Suche nach Antworten - losgelöst von der Tradition der eigenen Gemeinschaft
Steigerung des sozialen Zusammenhalts und Schaffung neuer Gemeinschaften, Völker und Nationen
Aufgreifen bereits vorhandener Vorstellungen und Integration in die eigene Lehre zu einem größeren Ganzen
Schaffung völlig neuer Gesetze und Institutionen
In Früh- und Hochphase dominiert die weltoffene Religiosität der Offenbarungsreligion. Dies stärkt die Innovationskraft der neu entstehenden Gemeide und verbessert die Lebensumstände der Gläubigen und der Gesellschaft
Später entstehen religiöse Tradtionen, die im Lauf der Zeit eine dogmatistische Religiosität nach sich ziehen. Langfristig verhindert das Veränderung und Innovation und wirkt sich negativ auf den Fortschritt aus
Als Datenquelle beuntzt Abu’l-Faḍl die Heiligen Schriften der drei Religionen und anerkannte Chroniken bzw. religionshistorische Werke
selbsbestimmte Religiosität der Offenbarungsreligion
verkündet authentisch die Existenz Gottes als Ergebnis eigener Suche und Erforschung der Wirklichkeit (F63)
Menschen folgen religiösen Prinzipien, die sie nach gründlicher Erforschung als wahr ansehen (F235)
Unabhängige Suche, Gelehrsamkeit, Ergebnisoffenheit, Beschäftigung mit anderen Sichtweisen, Weltanschauungen (L38)
fremdbestimmte Religiosität der überlieferten Tradition
Gläubige glauben an die Existenz Gottes, weil sie es von den Autoritäten so übernehmen (F63)
Gläubige befolgen Dogmen, ohne nach dem Grund zu fragen (F235)
Fokus der Gläubigen auf Alltagsregeln (F262) und äußeren Anschein (F267), Riten, Normen bestimmter (Denk-)Schulen, Buchstabengläubigkeit (L38)
Seine Erklärung (F143, F631):
In der Früh- und Hochphase überwiegt die selbstbestimmte Religiosität der offenbarten Religion. Dies entfesselt Kreativität und Innovationskraft der neu entstehenden Gemeinde und sorgt für Fortschritt und Wohlstand
Im Laufe der Zeit entstehen immer mehr religiöse Traditionen, die eine fremdbestimmte, an der Überlieferung orientierte Religiosität nach sich ziehen. Das erschwert es, neue Weg zu gehen und beeinträchtigt Fortschritt und Wohlstand
Offenbarungsreligion
ist göttlichen Ursprungs (nach eigener Darstellung)
ist in einem kreativen Akt einem Menschen (Offenbarer) eingegeben
beinhaltet völlig neue Lehren, greift vorgefundene Lehren auf
umfasst allgemeine, einfache Gesetze für geistige sowie weltliche Angelegenheiten, wenige neue Riten
breitet sich in der Welt aus - eigenständig, ohne weltliche Unterstützung und gegen Widerstände aus dem Umfeld
vereint Menschen verschiedenster Herkunft und Kultur zu einer neuen Gemeinschaft
Menschen finden zu ihr durch eigenes Forschen und Suchen - oft Bruch mit ihrem traditionellen Umfeld
Beispiele: Judentum, Christentum, Islam, ...
religiöse Traditionen
entstammen Gelehrtenmeinung - nicht offenbart
spalten sich ab aufgrund von machtpolitische Interessen oder Meinungsverschiedenheiten zwischen Gelehrten
sind Ergebnis von Auslegung der Lehren der Offenbarungsreligion, die für alle verbindlich gemacht werden
führen neue, ursprünglich nicht vorgesehene Riten ein, die tlw. im Widerspruch zur Heiligen Schrift sind
sind eher auf bestimmte Länder und Regionen beschränkt, grenzt sich gegen andere Traditionen ab
spalten in der Regel Religionsgemeinschaften und Völker; können Religionskriege auslösen
Menschen übernehmen Interpretationen bzw. Vorgaben der Autoritäten ihres religiösen Milieus
Beispiele: Katholizismus, Protestantismus, Schia, Sunnitentum, ...